Telefoninterview mit goodnews am 6.6.2018

Telefoninterview mit goodnews am 6.6.2018

Die von goodnews vorab schriftlich gestellten Fragen wurden vom Fraktionsvorsitzenden Armin  Schöpflin im Telefoninterview wie folgt beantwortet:

 

Zu 1.
Die Landeszentrale für politische Bildung, als eine Landeseinrichtung, zitiert zur gesetzlich basierten Rolle der baden-württembergischen Bürgermeister und OBs den Tübinger Staatsrechtler Günter Püttner, der die rechtliche Ausstattung für die Oberbürgermeister als „gottähnlich“ bezeichnet. Das heißt ja, wenn der Oberbürgermeister eine glückliche Wahl war, geht es der Stadt gut, war die Wahl unglücklich, geht es der Stadt schlecht. Sehen Sie das auch so?

Ich weiß nicht, in welchem Zusammenhang Herr Püttner das gesagt hat. Nach der baden-württembergischen Gemeindeordnung ist der Gemeinderat die Vertretung der Bürgerinnen und Bürger und das Hauptorgan der Gemeinde. Er legt die Grundsätze für die Verwaltung der Gemeinde fest und entscheidet über alle wichtigen Angelegenheiten. Der Oberbürgermeister – in kleineren Gemeinden der Bürgermeister – ist Vorsitzender des Gemeinderates und Leiter der Gemeindeverwaltung. Zweifellos gehen vom Oberbürgermeister bzw. Bürgermeister viele Impulse aus, schon dadurch, dass die Vorlagen für die einzelnen Ausschüsse und den Gemeinderat von der Verwaltung erarbeitet werden. Sie, Frau Milke, nehmen ja regelmäßig an den Gemeinderatssitzungen teil und bekommen mit, dass Vorschläge der Verwaltung nicht selten mit Verbesserungsvorschlägen vertagt – oder gänzlich abgelehnt werden. Insofern ist die Oberbürgermeisterin rechtlich nicht gottähnlich ausgestattet und ich sehe es nicht so, dass das Glück einer Stadt ausschließlich vom Oberbürgermeister oder Bürgermeister abhängt.

Zu 2:
Schauen wir uns einige Bereiche an, die Frau Mergen im Wesentlichen steuert. Die Finanzen. Seit 2008 haben sich die Schulden Baden-Badens von 80 auf 155 Millionen Euro fast verdoppelt. In der Amtszeit von Frau Mergen stiegen die Schulden um rund 50 Prozent. In keinem der Jahre ihres Vorgängers gab es solche Rekorde beim Wachsen der Schulden. 2017 wird eine Gesamtverschuldung von 120 Millionen ausgewiesen. 2018 sind es 20 Millionen mehr, also 140 Millionen, und 2019 sollen nochmals 15 Millionen hinzukommen, also ein Schuldenberg von 155 Millionen Euro. Schlechte Politik, Pech oder Fahrlässigkeit?

Auf den ersten Blick sieht das tatsächlich etwas bedenklich aus, man muss das Ganze allerdings differenziert betrachten, Ihre Zahlen aus der Haushaltsbroschüre der Stadt sind auch nicht ganz aktuell. Bei den Daten ab 2017 handelt es sich noch um Plandaten. So haben wir ja im städtischen Haushalt die Kreditermächtigung 2017 von 8,4 Mio. € bis dato nicht in Anspruch genommen, sie wurden im Zuge der Haushaltsreste nur vorsorglich übertragen. Auch der Eigenbetrieb Umwelttechnik hat seine geplante Darlehensaufnahme 2017 von 7 Mio. € zumindest bisher nicht in Anspruch genommen. Die Stadtwerke haben tatsächlich wie geplant ein Darlehen von 3 Mio. € aufgenommen. Somit verringert sich die tatsächliche Verschuldung zum Jahresende 2017 nach Abzug der jeweils getätigten Tilgungen von 120,8 Mio auf 105,4 Mio €, damit sind wir wieder etwa im Bereich von 2015. Die -zugegebenermaßen recht hohen- veranschlagten Kreditaufnahmen 2018 und 2019 (jeweils 10 Mio. €) im städtischen Kernhaushalt wurden unter anderem ja vorsorglich im Hinblick auf die ab 2020 geltende „Schuldenbremse“ eingestellt. Ob wir die so in Anspruch nehmen werden, bleibt erst mal abzuwarten. In den vergangenen Jahren konnten wir ja öfters auf geplante Kreditaufnahmen verzichten. Im städtischen Kernhaushalt haben die Schulden im „Ist“ lediglich um rund 1 Mio. € im Betrachtungszeitraum von 2008, da waren es 25 Mio. €, bis 2017, da waren es 26 Mio. € zugenommen.
Wenn Sie die Verschuldung ansprechen, sollte auch der Liquiditätsstand (Girokonten, Tagesgeld und Festgeldanlagen, Beteiligungen) angesprochen werden. 2014 betrug die Liquidität knapp 51 Mio. €, Ende 2017 knapp 59 Mio. €, also eine Verbesserung um 8 Mio. €. Der überwiegende Teil der bereits vollzogenen Erhöhung des Schuldenstandes ist also im Bereich der Eigenbetriebe zu sehen. Der Eigenbetrieb Umwelttechnik hatte und hat einen über viele Jahre angewachsenen Nachholbedarf bei der Abwasserversorgung.

Zu 3:
Schauen wir uns einen weiteren wesentlichen Bereich an. Die Baupolitik. Sind personelle Verflechtungen und lachse Überprüfungen eine Ursache dafür, dass seit Monaten Staatsanwaltschaft und Polizei in Zusammenhang mit der Auftragsvergabe Leopoldsplatz ermitteln? Oder sind es andere Gründe?

Ich bin nicht in der Lage zu beurteilen, ob die Überprüfungen lachs waren. Was die Auftragsvergabe Leopoldsplatz anbelangt: Es liegen bislang keine Ergebnisse der Ermittlungsbehörden vor. Insofern muss man hier abwarten. Sollten die Vorwürfe zutreffen, müssen die jeweils Schuldigen zur Rechenschaft gezogen werden.

Zu 4: Personalpolitik
Die wichtigen Positionen würden mehr nach anderen Erwägungen besetzt als nach Qualifikation. Dies gelte auch für manche Unternehmen an denen die Stadt beteiligt ist. Sehen Sie das auch so?
Welche anderen Erwägungen meinen Sie?

Bei der Besetzung wichtiger Positionen entscheidet nach der Vorberatung im Personalausschuss, in dem alle Fraktionen vertreten sind, der Gemeinderat. Bei der Besetzung in den Eigenbetrieben sind die Aufsichtsräte in der Pflicht und in den Aufsichtsräten befinden sich auch Mitglieder der einzelnen Fraktionen. Die Besetzungen erfolgen im Rahmen der Bestenauslese, also wer bringt die beste Qualifikation mit. Sachfremde Erwägungen spielen keine Rolle. Nochmals: Sie müssten Ihre Anschuldigung konkretisieren.

Zu 5:
OB Mergen wie auch der Stadtrat Heinz Gehri haben Verfahren ausgelöst, die sich gegen die Berichterstattung von goodnews4.de richteten. In beiden Fällen siegte die Pressefreiheit. Gibt es ein Demokratiedefizit unter der Amtsführung von Frau Mergen?

Diese Frage wundert mich ein bisschen. Im Artikel 5 unseres Grundgesetzes, also sehr weit vorne, sind die Pressefreiheit und die Meinungsfreiheit verankert. Wird die Pressefreiheit eingeschränkt, kann man nicht mehr von einer Demokratie sprechen. Was für die Pressefreiheit gilt, gilt aber doch auch für die Meinungsfreiheit. Ist jemand der Meinung, dass die Grenzen der Pressefreiheit z.B. durch die Verbreitung unwahrer Behauptungen, Verleumdungen oder Beleidigungen überschritten sind, hat dieser Jemand in unserem demokratischen Rechtsstaat Gott sei Dank die Möglichkeit, den Sachverhalt von einem unabhängigen Gericht überprüfen zu lassen. Halten Sie das für falsch? Wo sehen Sie hier den Demokratieverlust?

Zu 6:
Gibt es etwas, das Frau Mergen im zweiten Teil ihrer Amtszeit ändern bzw. anders machen sollte?

Frau Mergen bringt aus ihrer vorherigen Tätigkeit als Finanzbürger-meisterin in Karlsruhe große Erfahrung in diesen Bereich mit. Ihre erste große Aufgabe, nämlich die Aufnahme einer Vielzahl von Flüchtlingen, hat sie zusammen mit den Verantwortlichen in der Verwaltung, dem Gemeinderat und vielen Ehrenamtlichen sehr gut gemeistert. In anderen Städten ist dies oft nicht gelungen, so dass über Monate Schulturnhallen oder andere öffentliche Hallen belegt waren. In Sachen Leo gab es Defizite, weil der Gemeinderat nicht zeitnah über die Kostenentwicklung informiert wurde. Die Durchführung des G20-Finanzminstertreffen ist weltweit gelobt worden. Im Bereich Welterbe sind wir auf einem guten Weg. Auch aktuell bei der Verlängerung der BKV-Verträge hat sie zusammen mit unseren Landtagsabgeordneten Böhlen und Wald das maximal Mögliche herausgeholt. OB-Vorort in den Stadtteilen und OB-Sprechstunden sind ein wichtiges Instrument, um zu erkennen, was unsere Bürgerinnen und Bürger bewegt. Frau Mergen sitzt nicht „gottähnlich“ auf ihrem Thron und sie hat auch gelernt, die Richtung zu ändern, wenn sie zunächst die falsche Richtung eingeschlagen hat. So z.B. wollte sie im Sommer 2016 die Mittel für die Vereine kürzen, wofür sie öffentlich von unserer Fraktion kritisiert wurde. Inzwischen hat sie sich intensiv auch in öffentlichen Veranstaltungen um die Belange der Vereine gekümmert und eigens vor allem für die Vereine nun eine Ehrenamtsbeauftragte eingestellt. Dies ist der richtige Weg und die CDU-Fraktion hofft und geht davon aus, dass sie diesen transparenten und die Bürgerinnen und Bürger einbeziehenden Weg auch in der zweiten Halbzeit beibehält.

Zu 7:
Halbzeit für die Baden-Badener Oberbürgermeisterin. Haben Sie eine Schulnote mit Begründung für Frau Mergen und ihre Amtsführung?
Die Arbeit der OB ist sehr komplex und es ist schwierig, diese Arbeit mit einer Schulnote zu bewerten. Die einzelnen Tätigkeitsfelder wie zum Beispiel Bürgernähe, Engagement, Dynamik, Präsenz, Leitung der Verwaltung u.a. müssten herausgearbeitet, nach ihrer Bedeutung gewichtet und dann eine Gesamtnote gebildet werden. Ich sehe mich nicht in der Lage, diese Gewichtung vorzunehmen, jedenfalls hat sich Frau Mergen in den letzten vier Jahren in dieses schwierige Amt professionell und dynamisch eingearbeitet. Ich weigere mich, erwachsene Menschen mit Schulnoten zu bewerten.